Leuchttürme sind immer rot-weiß gestreift! Immer? Nope. Wir haben den Leuchtturm Obereversand in Dorum-Neufeld an der Nordseeküste besucht.
Er ist eckig und nicht rund. Er ist schwarz statt rot-weiß. Er steht auf Stelzen statt auf dem Meeresgrund. Zugegeben, der Leuchtturm entspricht nicht gerade unserem Klischeedenken, was ihn aber für uns um so interessanter macht. Der ehemalige Leuchtturm “Eversand-Oberfeuer” steht heute in Dorum-Neufeld, ein kleiner Ort an der Nordseeküste zwischen Cuxhaven und Bremerhaven.
Er ist für Touristen zugänglich und es finden regeläßige Frührungen statt, bei denen man sich über die Lebens- und Arbeitswelt der Leuchtfeuerwärter im ausgehenden 19. Jahrhundert infomieren lassen kann. Wir können nur dringend empfehlen, eine Führung mitzumachen, denn man erfährt wirklich viel Spannendes.
Leuchttürme sind nicht nur in der Nacht wichtige Wegweiser für die Schifffahrt. Damit man ihn auch tagsüber auf See von “Kollegen” unterscheiden kann, hat jeder unterschiedliche Farben und Formen. Die Schiffsbesatzung erkennt daran, welcher Leuchtturm es genau ist. Nachts leuchten Leuchttürme übrigens nicht nur, sondern jeder hat seine eigene Kennung in Form bestimmter Leuchtfolgen, die auf den Seekarten verzeichnet ist.
Jeder Leuchtturm leuchtet anders
Manche Leuchttürme haben außerdem verschiedene Farbbereiche (Sektoren). Von See kommend sieht man z.B. rotes Leuchtfeuer und weiß, man ist zuweit links (Backbord) unterwegs. Ändert man seinen Kurs weiter nach rechts (Steuerbord), wird das Leuchtfeuer dann grün. Steuert man zuweit nach Backbord, wird das Leuchtfeuer weiß. So können sich Schiffe über das Leuchtfeuer orientieren.
Wir machen uns also auf, den Leuchtturm Obereversand zu erkunden. Von Land her betreten wir einen langen Holzsteg, der uns zum Leuchtturm führt. Hoppla, der Eingang ist ganz schön hoch – wir müssen also erst mal die Aussentreppe in den “vierten Stock” hochklettern. Nichts für Menschen mit Höhenangst. Dann noch einmal um den Turm herum, der Eingang liegt auf der anderen Seite.
Ein wunderbarer Blick über das Wattenmeer offenbart sich uns. Es ist gerade Ebbe und man sieht gut die mächtigen Priele, in denen das Wasser wie in Bächen abfließt und knapp 6 Stunden später bei auflaufendem Wasser wiederkommt.
Im Wohnzimmer des Leuchtturmwärters
Gerade startet eine Führung, die im Eintritt von 2,- € bereits enthalten ist. Es geht in die erste Etage. Wir stehen in der Küche der früheren Leuchtturmwärter. Dieser Raum war zugleich Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer.
Früher war es üblich, dass Leuchttürme rund um die Uhr besetzt waren. Leuchtturmwärter sorgten dafür, dass die Lichtsignale immer zuverlässig abgegeben werden. Wetterbeobachtungen und die Weitergabe von Funksprüchen gehörten auch zu den wichtigen Aufgaben der Menschen im Leuchtturm.
Leuchtturmwärter – ein harter Job
Die Leuchtturmwärter hatten ein karges Leben – aus heutiger Sicht. Leben auf engstem Raum, ein straffer Dienstplan, kein fließendes Wasser, keine Zentralheizung, 7 Tage Woche mit Schichtarbeit, auch Feiertags – sechs Wochen Dienst am Stück. Dennoch waren die Stellen begehrt. Es gab regelmäßigen Urlaub und eine besonders gute Bezahlung von etwa 1.200 Reichsmark – jährlich. Ausserdem hatten sie einen Ausblick, der umwerfend war. Es wurde vom Turm gefischt und bei Ebbe konnten die Leuchtturmwärter zu Fuß durch das Watt gehen. Sicher wurde die ein oder andere Miesmuschel gesammelt und in der Küche zubereitet.
Kochen, Essen, Schlafen – die Küche war zugleich Lebensmittelpunkt der Leuchtturm-Besatzung. Das große Fenster wurde genutzt um Schiff beobachtungen machen zu können. So konnte man schnell eine Etage höher in den Dienstraum laufen, wenn etwas Wichtiges vorkam.
Die Treppe nach oben war keine Leiter sondern eine richtige Treppe im heutigen Sinne. Das erleichterte den schnellen Zugang zum Dienstraum, wenn Schiffe kamen oder Meldungen gemacht werden mussten. Alle Beobachtungen mussten in dreifacher Ausfertigung mit Feder und Tinte in Journale eingetragen werden.
Das Kommando auf dem Leuchtturm führt der erste Wärter […]. Die übrigen Wärter sind dem ersten Wärter unbedingten Gehorsam in allen Dienstsachen schuldig.
(aus Dienstanweisung vom 1.8.1885)
Die Leuchtturmwärter tauschten sich mit Schiffen und anderen Leuchttürmen mittels Flaggen- oder Winkeralphabet bzw. Morsezeichen aus. Mehrmals täglich mussten die Gläser und Spiegel des Leuchtfeuers gereinigt werden. Die starke Petroleumlampe benötigte regelmäßige Dochtpflege um das Feuer sicher und in ausreichender Stärke betreiben zu können.
Wir steigen eine weitere Treppe hinauf und kommen zum Laternenraum. Eine kleine elektrische Glühbirne wirkt etwas deplatziert in diesem Leuchtturm. Der Leuchtturmführer erklärt, das ist eine nur kleine Glühbirne zu Demonstrationszwecken. Ursprünglich war an dieser Stelle der Petroleumbrenner.
22 km Sichtweite
Die Glasstreifen bilden zusammen die Gürtellinse, auch Fresnel-Linse genannt. Diese Optik bündelt das Licht und erhöht somit die Reichweite deutlich. Zwischen den Glasstreifen der Optik konnte Luft zirkulieren um die Flamme mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. In 34m Höhe hatte das Leuchtfeuer eine Tragweite von 12 Seemeilen, entsprechend guten 22km.
Wir treten auf der oberen Plattform ins Freie und der starke Wind aber auch die Sicht raubt uns den Atem. Aus dieser Höhe wirkt das vor uns liegende Wattermeer noch einmal interessanter. Bei der klaren Sicht kann man bis nach Wilhelmshaven schauen. Am Horizont ziehen Schiffe vorbei. Was für ein Blick!
Auch Leuchttürme ziehen mal um
Der heutige Standort von Obereversand mit direktem Zugang von Land aus, ist nicht der Ort seiner aktiven Zeit. 1887 nahm der Leuchtturm im Eversand-Watt den Dienst auf. Zum Leuchturm “Oberfeuer Eversand”, kurz Obereversand gehörte auch das “Unterfeuer Eversand”. Beide gemeinsam bildeten ein sog. Richtfeuer.
Die Mitte des Schifffahrtsweges hat man genau, wenn Oberfeuer und Unterfeuer in Deckung liegen. Navigiert der Schiffsführer etwas weiter nach Steuerbord (rechts), wandert das vorne liegende Unterfeuer nach links bzw. das dahinterliegende Oberfeuer nach recht aus. Da das Oberfeuer höher ist, kann man sowohl tags als auch nachts eine sehr gute Orientierung herstellen.
Wer mag, probiert es selbst aus: einfach auf einen Tisch eine Flasche (Oberfeuer) stellen, ein Stück davor ein Glas (Unterfeuer). Dann schaut man so, dass beide in einer Deckung liegen. Bewegt man sich nun ein Stück nach rechts oder links, kann man den Effekt sehen. Stellt man sich jeweil oben auf Flasche und Glas eine Lampe vor, erkennt man, dass durch die unterschiedliche Höhe auch nachts eine eindeutige Wegweisung entsteht.
Den Schiffen half das, zwischen den Sandbänken hindurch im Fahrwasser zu bleiben. Auch heute noch gibt es zahlreiche Richtfeuer, die der Schifffahrt helfen, nicht auf Grund zu laufen. Weil die Schiffe nicht genau in der Mitte des Fahrwassers fahren, sondern etwas versetzt nach Steuerbord (rechts) werden Kollisionen vermieden.
Wegen zunehmender Versandung der Fahrrinne, wurde Obereversand 1923 abgeschaltet. Ab da diente er als Rettungsbake für Schiffbrüchige, die sich in den Turm flüchten konnten. Im Winter 1994/95 beschädigte starker Eisgang die Ständer des Turms schwer und 1999 wurde der Leuchtturm endgültig aufgegeben. 2001 entwickelte man ein Konzept, was mit dem Leuchtturm zu tun sei und beschloss die Verlegung des Leuchtturm an seinen heutigen Standort. Im März 2003 war es dann soweit, der Obereversand konnte seine neue Position am heutigen Standort beziehen.
Neben der Möglichkeit, den Leuchtturm zu besichtigen, werden dort auch Trauungen durchgeführt. Über 200 Ehen wurden in luftiger Höhe bereits geschlossen. Ein echter Liebes-Turm!
Eintrittpreise (Stand 2018):
Erwachsene: 2,- €
Kinder bis 16 Jahre: 1,- €
Kinder bis 6 Jahre: Eintritt frei
inkl. einer 1/2 stündigen Führung. Tipp: 360° Panoramablick
Öffungszeiten:
Diese variieren nach Jahreszeit. Hier finden sich die jeweils aktuellen Öffnungszeiten.
(bitte je das Dokument mit der aktuellen Monatszahl anklicken)
Anfahrt:
Der Leuchtturm Obereversand befindet sich in Dorum-Neufeld. BAB A27 zwischen Bremerhaven und Cuxhaven, Abfahrt Neuenwalde Richtung Dorum. In Dorum folgen Sie der Beschilderung „Strand / Kutterhafen“ nach Dorum-Neufeld.
Navi-Gerät:
Dorum, Am Kutterhafen (27632 Wurster Nordseeküste)
Weitere Informationen unter: www.obereversand.de